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Der Standard: „Bitte im Park nicht auf Afrikaner steigen“

Wenn wir schulterzuckend akzeptieren, dass in Afrika Millionen verrecken, ist es nur eine logische Folge, dass auch bei uns Afrikaner getötet werden: Rassismus ist die Grundlage unseres Wohlstandes.

Diesen Sommer ist es höchst schick, bei afrikanischen Temperaturen ein kühles Bier für Asylwerber zu trinken. Für zehn Cent pro Krügerl kann man in fast hundert In-Beisln an der Zivilcourage der pensionierten Sozialarbeiterin Ute Bock teilhaben, die obdachlose Flüchtlinge betreut, nachdem diese vom entseelten Innenminister auf die Straße gesetzt wurden, nicht arbeiten dürfen und keine legale Möglichkeit haben, im reichen Österreich nicht zu verhungern (siehe www.fraubock.at). Wenn wir nur alle Weltprobleme mit Trinken für den guten Zweck lösen könnten!

Höchst unschick ist es, wenn wir im Fernsehen gespenstische Bilder sehen müssen, auf denen Sanitäter und Polizisten auf dem leblosen Körper eines Afrikaners herumsteigen. Im Wiener Stadtpark! Solche Bilder spalten das Land: Die einen, die mit den starken Gedärmen, sagen: „Selber schuld.“ Wäre er doch geblieben wo er herkommt. Wenn so einer schon glaubt, unsere Gastfreundschaft in Anspruch nehmen zu müssen, dann soll er sich wenigstens benehmen. Die anderen, beseelteren, finden es rassistisch, wie Behörden mit Menschen anderer Hautfarbe umgehen und trinken noch ein Krügerl. Prost auf den Antirassismus!

Gut, dass wir alle miteinander keine Bilder aus dem Herz der Finsternis dies- und jenseits des Mittelmeeres sehen müssen. Wer möchte schon wirklich mit den Lebensumständen afrikanischer Flüchtlinge in unserer unmittelbaren Nachbarschaft konfrontiert werden? Und auch der „Schwarze Kontinent“ hat sich in den obskuren Winkeln unseres Weltbildes eingenistet: Liberale, aufgeklärte Medien berichten von „Stammeskämpfen“ dort „unten“, wo sie sich mit Macheten entleiben. Wie die Tiere!

Wenn im Kosovo oder im Nahen Osten ökonomische Konflikte ethnisch ausgetragen werden, spricht niemand von Stammeskämpfen. Und wenn die moderne Zivilisation in Afghanistan oder Irak mit High-Tech-Waffen Krieg führt, erklären Millionen Demonstranten in Europa der dortigen Bevölkerung den Frieden. Aber in Afrika? Gegen das größte Morden der Menschheit seit 1945 – den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo mit 3,3 Millionen Toten seit fünf Jahren – sind bisher keine Friedensdemonstranten aufmarschiert. Dabei geht es – anders als beim angeblichen „Krieg ums Öl“ im Irak – in Zentralafrika, im Sudan, in Angola, in Liberia und so weiter tatsächlich in erster Linie um Rohstoffe. Erdöl für unsere Autos, Diamanten für unseren Schmuck, Edelhölzer für unsere schicken Möbel, Kakao für unsere Schokolade, Tantal für unsere Handys. Die Ressourcen dieser angeblich armen Länder sind die Grundlage unseres Reichtums. Weite Teile der europäischen Kultur basieren auf der kolonialen und postkolonialen Ausbeutung afrikanischer Länder. Und darauf, dass es nach dem Prinzip „teile und herrsche“ durch Jahrhunderte gelungen ist, ethnische Konflikte zu züchten und damit die Bevölkerungen dieser Länder für unmündig zu erklären, aus ihren Reichtümern eigenen Wohlstand zu schaffen.

Rassismus ist keine spezifische österreichische oder europäische Mentalität. Rassismus ist die conditio sine qua non eines auf Ausbeutung beruhenden ökonomischen Modells, das kaum infrage gestellt wird, weil es einfacher ist, bei einem Glas Bier über die Brutalität des „schwarzen“ Kontinents oder des schwarzen Innenministers zu erschaudern. Den lässt dieses Schaudern aber kalt, solange sein Machtspiel aufgeht: Menschen, die aus ausgebeuteten Ländern zu uns flüchten, werden auf die Straße gesetzt, dürfen nicht arbeiten und werden damit in die Illegalität gezwungen, wenn sie im reichen Österreich nicht ebenso verrecken wollen wie in ihren rohstoffreichen Herkunftsländern. Was es wiederum leicht macht, die öffentliche Meinung gegen Asylwerber im Allgemeinen und Afrikaner im Besonderen zu mobilisieren.

Wenn wir akzeptieren, dass in Afrika Millionen an den Folgen von Krieg und Ausbeutung sterben, werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass Tausende vor unsere Haustüre flüchten. Und solange wir das Töten von Menschen in Afrika als Normalzustand akzeptieren, dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch vor unserer Haustüre Afrikaner getötet werden. So ein Afrikaner ist das getötet werden eh gewohnt, da kann man ruhig ein bisschen auf ihm herumsteigen im Park. Auf diese Weise kommen die Kriege, die Bestialität, der Terror, die ein auf Ausbeutung beruhendes System exportiert, zu uns zurück.

Wie aber lässt sich das verhindern? Müssen wir die Grenzen um Europa, um unsere Parkanlagen noch dichter machen, um uns letztendlich selbst in Schutzhaft nehmen? Das wird nichts nützen, denn solange es für Handel und Kapital keine Grenzen gibt, werden Menschen immer Schlupflöcher finden – oder sprengen – um diesen Handels- und Kapitalströmen zu folgen. Vielmehr sollte endlich ernsthaft die Utopie diskutiert werden, alle nationalen Grenzen für alle Menschen zu öffnen. Wenn wir ein solches Ziel – ähnlich der Osterweiterung – für einen längeren Zeitraum ins Auge fassen würden, hätten unsere Innenminister, unsere Regierungen und wir alle ausreichend Motive, die Reichtümer der Welt auch jenen zuzugestehen, denen wir sie jetzt vorenthalten. Der Rassismus ließe dann seinen wahren Kern blicken: die Frage des Anteils an unser aller Wohlstand.